Im nächsten Reisebericht absolvieren wir ganze 13km mit dem Fahrrad, dafür umso mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln, um antike Oasenstädte zu besichtigen sowie Visa zu beantragen/verlängern.
Wie auch der letzte Bericht, erforderte auch dieser ein wenig Geduld, vor allem beim Hochladen der Bilder. Wird alles
noch sortiert, ergänzt, angepasst und ggf. den Texten entsprechend erlärt, wenn wir mal mehr etwas Zeit und bessere Internetverbindungen haben. Bis dahin - viel Spaß beim
Lesen!
Halbzeit in Teheran. Wir haben nun knapp 5000km mit dem Fahrrad zurückgelegt und sind seit gut vier Monaten auf dem Weg. Uns verbleiben noch fünf Monate bis wieder der (Büro)alltag ruft. Die chinesische Grenze ist 5000km entfernt.
Wie im Sport so üblich nutzen wir den Timeout zur Regeneration und für Strategiebesprechungen. Noch drei Visa fehlen, um nach China zu kommen: für uns beide jeweils ein turkmenisches und für Minxin ein kirgisisches.
Vor ersterem hat man uns gewarnt, denn die Unfreundlichkeit des turkmenischen Botschaftspersonals in Teheran gilt unter Transasienreisenden schon längst als legendär und verkörpert eine must-see Sehenswürdigkeit im ansonsten trotz (oder wegen?) seiner schieren Größe nichtssagenden Teheran. Ohne Russischkenntnisse läuft bei den Turkmenen nichts, so erzählt man uns, doch selbst wer es einigermaßen beherrscht, wird bemüht sein, mit Zeichen und Gebärdensprache vorzusprechen. Höflich gemeinte Russischversuche werden laut Aussage einiger Touristen nicht selten mit einem „Komm lass es, du kannst es sowieso nicht“, oder „Lern erst mal unsere Sprache, bevor du in unser Land willst“ kommentiert.
Wir erscheinen pünktlich um 9 Uhr an der turkmenischen Botschaft, die von zahlreichen Touristen mit ähnlichem Anliegen umlagert wird. Der Konsul ist zunächst unpässlich und so warten wir erst mal. Vögel zwitschern, die Stunden verfliegen, die Vögel verstummen. Um 10:30 öffnet der Konsul höchstpersönlich eine winzige Luke in der Wand und somit auch die Tür in den Wüstenstaat Turkmenistan. Die Luke, leider nur auf Bauchhöhe angebracht, zwingt mich zum demütigen Kotau und stellt auch die einzige Kommunikationsschnittstelle zwischen Reisendem und Botschaftspersonal dar. Jenes wurde in jüngster Zeit entweder ausgetauscht oder einem Benimmtraining unterzogen, denn statt einem pampigen Homo Sovieticus lächeln uns zwei smarte junge Herrn aus dem Loch in der Wand entgegen. Sie sprechen einwandfreies Englisch und schlagen vor, das Visum in Maschad, einer Stadt im Osten Irans, abzuholen. Somit würde die Wartezeit in Teheran entfallen. Wir füllen die restlichen 90 Sekunden meiner Sprechzeit noch mit mehreren taktisch klug gewählten Quittungsfragen und verlassen, nachdem diese klar und zufriedenstellend beantwortet worden sind, freudig überrascht und doch fast enttäuscht, die Botschaft. Die aalglatt, auf Hochglanz polierte westliche Servicementalität hat sich also jetzt auch in den hintersten Winkel Zentralasiens verirrt.
Unsere Euphorie findet in der kirgisischen Botschaft ein jähes Ende. Zwar lädt uns der freundliche Konsul zu einer Tasse Tee in seine Räumlichkeiten ein, doch eröffnet er uns, dass Minxin als chinesische Staatsbürgerin eine offizielle Einladung braucht. Es dürfte 2 Wochen dauern, bis diese ausgestellt ist. Das ist nicht etwa ärgerlich, sondern regelrecht doof. Vielleicht sogar beschissen. Eigentlich ist Kirgistan hinsichtlich der Visapolitik unproblematisches Land, als EU Bürger darf ich 30 Tage visafrei in Kirgistan tun und lassen was ich will. Für Chinesen gelten aber andere Regeln. Angesichts der Wartezeit bleibt für uns somit nur die Option, es in Duschanbe, der Hauptstadt Tadschikistans, zu probieren. Das ist dann bereits unsere letzte Chance. Außerdem hätten wir den ganzen Visakram gerne bereits in Teheran erledigt gehabt.
Blick aus Sajads Wohnung (l.); Pasta Party am Abend mit Bewohner und Freundin (m.)
In den ersten Tagen bleibt angesichts des Visamarathons keine Zeit für Sightseeing. Das ist nicht weiter schlimm, da ohnehin nur nüchterne Zweckarchitektur die Kulisse für unsere Erledigungen bildet. Teheran ist neben Shanghai und Istanbul die dritte Megacity, die wir bereisen. Während Istanbul und Shanghai sich um die Auszeichnung „Schönste Megacity entlang der Bike-to-Asia- Route“ streiten dürften, geht Bronze klar an Teheran. Selbst Einheimische beklagen den Dreck, den Staub und die allgemeine Hässlichkeit ihrer 15 Millionen Metropole. „It’s a shithole, isn’t it?“ zwinkert uns ein smarter Mittdreißiger im Businessdress auf dem Weg zur Arbeit zu. Dabei ist der Norden mit seinen gepflegten Grünanlagen und Alleen als durchaus ansehnlich zu bezeichnen. Hier oben, auf 1800 Metern, schauen die Privilegierten auf die ärmeren Bevölkerungsschichten herab, denen nur die endlose Betonwüste südlich der Hauptmagistrale übrigbleibt.
Nein, Teheran ist keine schöne Stadt, wenngleich nicht ganz so schlimm wie sein Image. Das Problem ist eher: Teheran ist viel zu groß. Während Shanghai und Istanbul ihre 15 Millionen Einwohner auf sehr unterschiedliche Stadtquartiere verteilen, ist Teheran eine endlose Abfolge von austauschbaren Wohnquartieren ohne erkennbares Stadtzentrum. Selbst mit der Metro dauert es 2 Stunden, bis man die Stadt von einem Ende zum anderen durchquert hat.
Wir wohnen bei Sajad, einem iranischen Couchsurfer, der sich als kompetenter Touristenguide erweist und mit uns Botschaften, Copyshops und Postfilialen abtourt. Wir revanchieren uns dafür mit unseren Kochkünsten, denn Zeit zum Kochen hat Sajad nicht. Da der Währungsverfall zunehmend die Kaufkraft erodiert, hat unser Host wie viele andere Iraner einen zweiten Job angenommen. Nach der täglichen Büroroutine im Büro kann Sajad am Abend sich als Taekwondo-Trainer auszeichnen. Ähnlich sein Mitbewohner Sajir, der tagsüber für eine Softwarefirma Smartphone-Apps mitentwickelt und abends zum Englischlehrer mutiert. Wir verbringen nette Tage und lernen auch die Freunde der beiden kennen. Alle sprechen fließend Englisch und verfügen über eine erstaunlich hohe Allgemeinbildung, die uns manchmal in Verlegenheit bringt. Ein Freund Sajads hat bereits alle Werke Shakespeares durch und liest gerade den Band „1000 American Poems“. Amerikanische Literatur begeistert ihn, was in einem Land, dass Amerika als den großen Erzfeind auserkoren hat und ihm auf überdimensionierten Straßenplakaten die Pest an den Hals wünscht, doch eher verwundert. Doch das ist eben der Iran.
Esfahan: ein 1700 Meter langes Gassengewirr im Basar, die Jameh-Moschee und: HITZE
Wir fahren nach Esfahan, weil wir dort im Gegensatz zu Teheran angeblich problemlos unser Visum verlängern können. Die Fahrräder bleiben lassen wir in Teheran zurück, sodass wir das erste Mal seit Trabzon in die Rolle von Normaltouristen schlüpfen, wenn man so von Iranreisenden überhaupt reden darf. Denn die eher übersichtliche Touristenschar setzt sich im Wesentlichen aus zwei Altersgruppen zusammen: einerseits deutsche Rentner, mit Doktortitel und Zweitwohnsitz in Baden-Baden, andererseits jüngeres, abenteuerlustiges Publikum, das mal ein paar Wochen auf Bier verzichten kann und aus entweder Deutschland- der Schweiz, Frankreich, China – oder: Neuseeland stammt.
Zum Beispiel Phillip, ein Walldorfschullehrer aus Nürnberg, der mit seiner Freundin im Schnellverfahren gerade die wichtigsten Sehenswürdigkeiten abgrast und vom Iran so begeistert ist, dass er schon den nächsten Trip plant.
Oder Heiko, der sich auf dem Weg zu den Teeplantagen im Südwesten Chinas befindet und als einer der ersten den Weg dorthin über Myanmar zurücklegen möchte.
Oder Johannes, ein Hamburger Grundschullehrer, der einen prima Reiseblog betreibt (Link folgt) und sich überlegt, eine Stelle in Teheran anzunehmen.
Dazu eine wahre Horde von Chinesen, die offensichtlich die Vorteile des individuellen Reisen (und von unkonventionellen Reisezielen) zu entdecken beginnen. Noch sind es gemessen am 1,3 Milliardenvolk nur wenige, doch sollte sich der Rucksacktourismus für Chinesen irgendwann als Volksbewegung etablieren, dürfte es in Esfahan schwer werden, zwischen den ganzen Chinarestaurants noch etwas Iranisches zu Essen zu finden.
Schließlich Petra und Rafael, ein nettes Schweizer Paar, das ähnlich wie wir mit dem Fahrrad Richtung Pamir reist. Es ist das erste Mal, dass wir auf Gleichgesinnte treffen, die nicht gerade auf dem Weg woandershin sind. Verblüfft stellen wir fest, dass wir bislang fast dieselbe Route gefahren sind und bei derselben albanischen Familie übernachtet haben.
Wir kommen mit all diesen Reisenden ins Gespräch, da Sightseeing hier am Rande der glühheißen Dasht.-e-Kavir- Wüste eigenen Regeln folgt. Frühaufsteher nutzen die Gunst der Stunde und erkunden die Stadt in den frühen Morgenstunden, mittags erlischt fast jegliches öffentliches Leben. Dann sitzen wir mit Kaltgetränken über unseren Laptops gebeugt im schattigen Innenhof unseres Hostels und plaudern über Gott und die Welt.
Mit Rafael und Petra bei iranischen Eisverkäufern (l.o.), Meeting mit Imanen (m.o.), nochmal der Basar und der Imam Platz
(r.u.)
Erst abends, wenn die Hitze des Tages an Kraft verliert, füllen sich die Altstadtgassen der Stadt allmählich mit Leben. Der riesige Emam Platz, mit 560 Metern Länge und 160 Metern Breite angeblich nach dem Tiananmen Platz in Beijing der weltweit zweitgrößte, wird dann von Tausenden Esfahanis
bevölkert, die sich hier zum allabendlichen Picknick treffen. Klar – denn nicht etwa Engländer, sondern Iraner sind die Weltmeister im Picknicken. Ein alltägliches Massenevent, das aber immer
friedlich bleibt. Liegt es am absoluten Alkoholverbot?
Esfahan selbst ist eher bekannt für seine islamischen Lehreinrichtungen und die zahlreichen beeindruckenden Paläste, Minarette und Moscheen. Ich habe im Buch „Der Medicus“ das erste Mal über die Bedeutung der Stadt erfahren. Ein persisches Sprichwort sagt: Esfahan ist die Hälfte der Welt. Seine Glanzzeit erlebte die Stadt unter den Safawiden, die Isfahan im 17. Jhdt zur Hauptstadt machten. Etwa zur selben fanden Armenier Zuflucht in Esfahan und durften innerhalb ihres Viertels Kirchen errichten. Heute ist es das belebte Ausgehviertel Esfahans. Dazwischen der Zayandeh Fluß mit seinen 13 Brücken.
Genau dort befinden wir uns, als Minxin eine Pause einlegen will. Es ist ein heißer anstrengender Tag gewesen und Minxin klagt über Bauchschmerzen. Wir rasten am Flussufer, aber es wird nicht besser. Ich schlage vor, weiterzugehen, doch nach wenigen Metern stellt sich mein Vorschlag als Fehler heraus. Die Schmerzen werden immer stärker, und bald ist Minxin nicht mehr ansprechbar. Im Wissen, dass Körperkontakt zwischen Mann und Frau im Iran eher ungewöhnlich ist, versuche ich Minxin zu stützen. Wir verharren in einer seltsam verkrampften Position. Nach einigen Sekunden merke ich, wie jegliche Kraft aus Minxins Körper weicht. Sie kippt nach hinten, ich kann sie noch gerade rechtzeitig auffangen und ihre Handtasche unter ihrem Kopf platzieren. Bewusstlosigkeit. Stressfahan.
Über die nächsten Sekunden weiß ich nicht mehr allzu viel. Zum Glück bin ich nicht alleine, „Doktor“, höre ich mich tonlos murmeln, ein Mann greift zu seinem Handy und wählt eine Nummer. Mittlerweile haben sich mehrere Personen um uns herum versammelt. Eine ältere Frau im Tschador reicht mir ein Stück Schokolade. Zucker soll dem leblosen Körper Minxins Energie zuführen. Eine jüngere Frau schiebt Minxins Kopftuch nach hinten und öffnet den Reißverschluss ihres Heyabs. Minxin kann nun besser atmen und kommt langsam zu sich, ihre Hände sind jedoch gelähmt. Die jüngere Frau spricht ihr auf Englisch beruhigend zu. Langsam bessert sich Minxins Zustand und schließlich kann sie sich wieder frei bewegen und sogar aufrichten. Ein Schwächeanfall, der ähnlich schnell verfliegt, wie er gekommen ist. Der Krankenwagen inklusive des freundlichen, englischsprechenden Arztes wird wieder weggeschickt. Wir sind den Passanten zu Dank verpflichtet. Sicher, auch in anderen Ländern wären Menschen hier zur Stelle gewesen und hätten geholfen, doch es ist nun mal hier im Iran passiert und so schnell und geistesgegenwärtig wie die Passanten reagiert haben, das verdient Respekt.
Erleichtert, aber noch immer vorsichtig absolvieren wir die Rückfahrt ins Hostel per Taxi. Es ist nochmal gut gegangen, aber wie sollen wir jetzt Fahrradfahren? Auf eine nasskalte Schlechtwetterperiode mitteleuropäischen Zuschnitts können wir nicht hoffen. Nicht im Iran.
Fastfood, Chicken, Burger - Essen des imperialistischen US- Feindes ist populär im Iran (m.u.); uns zieht es in ein traditionelles
iranisches Restaurant (r.u.)
Die Visaverlängerung klappt problemlos. Bevor es zurück nach Teheran geht, machen wir noch einen Abstecher ins 350km entfernte Yazd, wo wir Rafael und Petra treffen wollen. Die Entscheidung, eine Hotelübernachtung einzusparen und gegen eine nächtliche Busfahrt einzutauschen, erweist sich für mich als Fehler. Auf den ersten 100km starre ich nervös Richtung Busfahrer, dessen Kopf sich mit zunehmender Strecke immer weiter nach unten neigt, bis er fast das Lenkrad berührt. Schließlich taucht eine schlecht markierte Baustelle aus dem Nichts auf und der Fahrer, das Kinn mittlerweile am Lenkrad, manövriert den 20 Meter langen Überlandbus routiniert in die markierte Spur. Nun könnte ich eigentlich die Augen zu machen, doch mittlerweile habe ich mich am Wikipedia Eintrag von Winston Churchill festgelesen. Eine Stunde später erreichen wir in der Morgendämmerung Yazd. Nach Aussage von Sajad ist es die trockenste und heißeste Großstadt im Iran und es fällt nicht schwer, seiner Aussage Glauben zu schenken. Angeschlagen von der zu kurzen Nacht schleichen wir bei gleißender Hitze durch das undurchdringliche Labyrinth von engen Gassen, Moscheen und Lehmbauten.
Auf 7.000 Jahre datieren lokale Touristenguides das Alter der Stadt, tatsächlich dürften es 5.000 sein. Doch auch so dürfte Yazd noch zu den ältesten Städten der Welt zählen. Vermittelte Esfahan das Bild einer grünen, weitläufigen Stadt, so ist Yazd mit seiner Lehmarchitektur eine staubtrockene, aber faszinierende Wüstenstadt. Die Wasserversorgung wird seit 5000 Jahren durch ein unterirdisch angelegtes Kanalsystem sichergestellt. In den umliegenden Bergen wird Wasser in den Zisternen gesammelt und von dort in die Stadt transportiert. Wie viele andere iranische Städte liegt Yazd also nicht a einem Fluss, sondern ist geographisch isoliert - ein Phänomen, das die persische Geschichte maßgeblich prägte.
Wir verbringen drei Tage in Yazd und unternehmen mit einer bunt zusammengewürfelten 8köpfigen Multikultitruppe (1 Iranerin, 2 Chinesinnen, 2 Schweizer, 1 Deutscher, 1, Franzose, 1 Spanier) einen
tollen Trip in die Wüste. Heilige Wasserquellen, verlassene Wüstendörfer, alteherwürdige Zitadellen und die überwältigende Leere und Stille der Dasht-e-Kavir.
Am letzten Abend lernen wir noch Pietar, einen Radfahrkollegen aus Belgien kennen, der wie wir Richtung Pamir unterwegs ist. Bereits nach ein paar gewechselten Sätzen fühlen wir uns wie
Pauschalurlauber. Pietar reist "low-key", das heißt Übernachtung immer im Zelt, Essen aus dem Supermarkt oder als Geschenk von der Straße. Trotz einer heftigen Verletzung radelt er weiter, als
nächstes Ziel ist die lebensfeindliche Dasht-e-Kavir Wüste dran. Wir werden sie nur touchieren, Pietar möchte sie auf unbefestigter Piste auf 500km durchqueren. Da Turkmenistan und
Usbekistan eher lahm sind, kürzt er den Weg nach Tadschikistan über Afghanistan ab. Wir können ihm nur viel Glück bei diesem Vorhaben wünschen.
Mit Rafael und Petra geht es mit dem verspäteten Nachtzug wieder zurück nach Teheran. Es ist nicht nur die Reisebegleitung aus Basel, die mich nach langer Zeit wieder an zuhause erinnert, sondern auch die zweistündige Verspätung des Nachtzuges (ICE fahren bekanntlich ja auch Basel an).
Ausflug in die Wüste: Zitadelle in Meybod; die heilige Wasserquelle von Chak-Chak; das halbverlassene Kharanaq mit seinen
Katakomben und Ruinen
Dann sind wir zurück in der iranischen Hauptstadt und wohnen noch 3 Tage bei chinesischen Freunden von Minxin. Allzu viel Erwähnenswertes passiert nicht mehr. Wir schnappen uns die Fahrräder, die bei einem Freund von Sajads abgestellt wurden und radeln in den Norden der iranischen Hauptstadt. Es existieren sehr böse Gerüchte über die Autofahrer Teherans und alle sind wahr. Wer allerdings drei Jahre durch die mörderische Rush-Hour in Shanghai geradelt ist, kann den iranischen Asphaltdilletanten nur noch ein müdes Lächeln abgewinnen. Immerhin: die Iraner sind nette Menschen, selbst hinter dem Steuer. Überquert man die Straße, wird man in der Regel nicht überfahren, sondern darf weiterleben. Die meisten Fahrzeuge kommen rechtzeitig zum Stehen, oft geben die Asphaltpiloten per Lichthupe sogar aufmunternde Signale als wollte man uns sagen: „Hey du lebst ja noch, dann aber mal fix auf die andere Seite“. Auch diese schrulligen Ampeln mit ihren lustigen grünen, gelben und roten Farben repräsentieren nicht nur urbanes Dekor, sondern dienen durchaus als unverbindliche Empfehlung zum Halten und Stoppen. Auf der anderen Seite sind anders als in Shanghai die Fahrbahnmarkierungen tatsächlich nur als optische Auflockerung des eintönigen Einheitsgrau des Asphalts zu verstehen. Und wenn der fünfte SUV auf einer zweispurigen Straße kein Platz findet, wird vorübergehend der Bürgersteig mal zur Expressspur für besonders eilige iranische Hauptstädter umfunktioniert.
Teheran unplugged: Chinesisch essen mit Sajad und der chinesischen Expat Community; Holsten I-Drink; Teheran von der Gondel;
Todesangst in ebenjener; Zeitschriften
Körperlich unversehrt, doch sehr mitgenommen erreichen wir Ryans Wohnung. Wir sind 13km durch überwiegend schattige Alleen geradelt. Jetzt am Abend sind die Temperaturen erträglicher und doch fühlen wir uns erschöpft. Daher nochmal die Frage: wie soll das erst später in der Wüste werden?
Wir laden Sajad auf ein chinesisches Abendessen ein, besuchen den Basar, der wie alles in der Stadt eine Nummer zu groß geraten ist und fahren in die Berge nördlich der Stadt. Dort hat man weder
Kosten noch Mühe gescheut und ein Vergnügungspark samt Skigebiet errichtet. Die Weicheier versuchen sich im Bungeejumping, wir hingegen setzen auf den echten Kick und fahren mit einer
nostalgischen Gondelbahn, die wohl vom Schah persönlich eingeweiht wurde, auf 3.000 Meter Höhe. Es knarzt, wackelt und schaukelt und das erste Mal während unserer Reise verspüre ich so etwas wie
echte Angst. Vom Gipfel der Berge blicken wir auf das versmogte Betonmeer Teherans, während über unseren Köpfen Adler durch die kristallklare Bergluft kreisen. Übrigens: wir überstehen auch die
Talfahrt mit der Gondel unbeschadet und können uns daher an das nächste Abenteuer wagen: das Durchqueren der persischen Wüste mit Wasser und ungesäuertem Brot. Doch das ist eine andere
Geschichte.
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Tobias Rust (Dienstag, 30 Juni 2015 07:40)
Statt Nachrichten schaue ich mir lieber Eure Seite und beeindruckenden Bilder an, gibt mir einfach mehr! :)