Landwirte in Wallung

Ganz am Ende unserer Radreise wird es noch mal interessant. Anfangs verbrüdern wir uns noch mit den Touristenmassen, wenig später fliehen wir vor ihnen in die Berge. Auf den Spuren Maos überqueren wir steile Gebirgspässe, treffen auf freundliche Tibetaner und haben manchmal ein Brett vor dem Kopf. Obwohl wir zum Schluß im Nebel stochern und noch in eine heftige Auseinandersetzung geraten, erreichen wir am 12. Oktober unversehrt Chengdu, den Zielort unserer Reise.

Ein aufregendes, fantastisches Jahr geht zuende.

Jiuzhaigou („die neun Dörfer im Tal“), ist ein etwa 30km langes Tal das sich hoch oben in den Bergen Sichuans versteckt. Neben der üppigen Vegetation bilden auch die zahlreichen Seen mit ihrer fast schon surreal wirkenden blauen Färbung hier die Hauptattraktion. Wer nicht Zeit und Geld hat, nach China zu reisen, der kann sich ja erst mal probeweise den Blautopf in der Nähe von Ulm ansehen.

Songpan, der Ausgangspunkt für unsere Exkursionen nach Jiuzhaigou und Songpan

Nicht allzu weit davon befindet sich Huanglong („der gelbe Drache“), eine steile Abfolge von Kalkterrassen, die durch Wasserfälle und Stromschnellen verbunden sind. Nur hier und da hat der Mensch in die Natur eingegriffen, wo er das tat, bewies er allerdings Gespür. So zum Beispiel bei den zwei buddhistischen Tempeln im oberen Bereich des Tals.

Huanglong: Kalkterrassen, Tempel, nebelverhangene Wälder

Beide Gebiete habe ich bereits 2010 besucht, für Minxin ist das nun eine Premiere. Sie zeigt sich trotz des mal wieder mäßigen Wetters, sehr angetan.

Unsere insgesamt dreitägige Besichtigungstour nach Jiuzhaigou und Huanglong kollidieren mit zwei für Chinesen ganz wichtigen Feiertagen. Das Mondfest, das dieses Jahr Ende September stattfindet sowie der darauffolgenden Goldenen Woche, wenn das ganze Jahr Ferien hat, und die Transportinfrastruktur des Landes auf eine harte Probe gestellt wird. Wir verlassen am 26. September Songpan Richtung Jiuzhaigou und Huanglong. Noch bemerken wir nicht viel von der kommenden Invasion von abertausenden buntgekleideten chinesischen Touristen.

Das ist Jiuzhaigou. Wirkt bei gutem Wetter noch besser. Weitere Fotos findet ihr unter unserem 2010 Trip

Vielleicht trügt aber auch unsere subjektive Wahrnehmung, denn wirklich alleine sind wir hier natürlich nicht. Der chinesische Massentourismus gilt unter westlichen Besuchern als….sagen, wir mal gewöhnungsbedürftig. Man stelle sich das so vor: riesige Menschenansammlungen, vor denen megaphonbewehrte Touristenführer versuchen, sich gegenseitig niederzuschreien. Bei den Wanderwegen handelt es sich meistens um gepflasterte Gassen, die von verschnörkelten Designmülleimern flankiert werden, aus denen Musikgedudel tönt. Na, Lust auf mehr bekommen? Es sei noch erwähnt, dass für den Eintritt in diese Menschenbewahrgelände oftmals locker 30 Euro anfallen. Selbst das Argument, die überzogene Preisgestaltung solle die meisten Urlauber abschrecken und das Touristenaufkommen eindämmen, lasse ich nicht gelten. Warum verbietet man den ärmeren Einkommensschichten das Reisen? Nach meiner an Sicht wäre es besser wäre, weitere bislang unbekannte Attraktionen touristisch zu erschließen. Diesbezüglich gibt es, wie wir in den vergangenen Wochen selbst gesehen haben, noch genügend Potential.

Das dürfte an den Feiertagen noch schlimmer werden

Wie dem auch sei. Unsere Erwartungen waren eher gering, doch als so stressig empfinden wir Jiuzhaigou gar nicht. Die chinesischen Touristen sind…tja, zwar „recht zahlreich“, aber in der Massen fast auf beängstigende Art und Weise zu ertragen. Auf einen unbeabsichtigten Rempler folgt ein „Excuse me“, auch die Geräuschkulisse hält sich in Grenzen. Irgendetwas muss in den letzten Jahren passiert sein. Dazu kommt das erstarkende Organisationstalent der Chinesen, das entfernt an „uns Deutsche“ erinnert. Das mag nicht jedem sympathisch sein, im Falle Jiuzhaigou, stört es uns aber kein Bisschen. Komfortable Reisebusse transportieren die Reisenden im Minutentakt durch das malerische Tal von Aussichtspunkt zu Aussichtspunkt. Wem das zu bequem ist, nimmt den gut markierten Wanderweg, der durch den Wald in Respektabstand zur Straße verläuft und alle Sehenswürdigkeiten abklappert. Als da wären: Tümpel mit der bereits erwähnten irren blaugrünen Färbung, Bergseen, wo man bis auf den Grund gucken kann und Stromschnellen, die sich um wild überwucherte Inseln zwängen.

"Wenn du deine Feinde nicht besiegen kannst..." Mitunter ist es an Touristenorten schwer, Fotos zu schiessen, ohne dass jemand ins Bild läuft. 

Am 28.9. sitzen wir wieder auf unseren Fahrradsätteln. Am Abend erreichen wir den kleinen Ort Zhuokeji. Alt-Zhuokeji bildet ein unübersichtliches Wirrwarr von engen Altstadtgassen und tibetanischen Steinhäusern mit buntbemalten Fassaden und kleinen Gärten. Jenseits des Flusses wächst Neu-Zhuokeji empor, ein paar der traditionellen Architektur nachempfundene Häuserzeilen, die von einer shoppingträchtigen Fußgängerzone getrennt werden. Die Grundstücke gehören nach wie vor den einheimischen Tibetanern, welche die Gebäude an Han Chinesen aus der Großstadt verpachten. Viele der Investoren stammen aus Chengdu und wissen entsprechend wenig von der Gegend. Darüber umso mehr, wie man schnell Geld verdient. „Da geht noch mehr“, grinst ein Teeladenbesitzer vielsagend. „Die Gebäude sind groß genug, um einen Starbucks oder Mc Donalds zu beherbergen.“

Jenseits des chinesischen Massentourismus: Zhuokeji

Trotz seiner gut erhaltenen historischen Bausubstanz ist der Ort bis heute ein touristischer Geheimtipp geblieben. Da täglich nur 30-40 Menschlein unseren Blog besuchen, wird er es auch in Zukunft bleiben. Selbst am Vorabend der apokalyptischen Goldenen Woche wirken die engen Gassen mit ihren buntbemalten Steinhäusern wie ausgestorben. Erst am nächsten Morgen, als wir aufbrechen wollen, sehen wir sie kommen. Ein Reisebus parkt vor den Toren Alt-Zhuokejis und spuckt Myriaden von gestikulierenden, smartphonebewaffneten Großstadtouristen aus.

Nun haben wir Gewissheit. Es ist soweit. Die Jagd hat begonnen. Wir müssen baldmöglichst weg von hier, uns in den Bergen verstecken. Wie viele überstürzte Fluchten ist jedoch auch diese schlecht koordiniert. Wieder hat man uns am Morgen den Strom abgeschaltet, alle technischen Geräte laufen auf Reserve. Wir wissen nicht genau, was uns auf den nächsten 120km bis Xiaojin erwarten wird. Andererseits ist es aber auch ganz reizvoll, mal ohne jegliche Planung ins Blaue zu fahren.

Blick auf die Paßhöhe des Mt. Mengbi (o.r.); unseren Zeltplatz teilten wir mit einer Kuh (u.l.); Blick von der Paßhöhe (u.r.)

Die Straße Richtung Süden führt bei endlich mal wieder gutem Wetter steil nach oben durch ein enges, grünes Tal. Es ist eine unwichtige Nebenstrecke, die sich wie in China üblich in tadellosem Zustand befindet, aber kaum befahren ist. Erleben wir hier am Ende unserer Reise nochmal ein richtiges Highlight? Die Steigung ist brutal und erst nach 12km erreichen wir eine kleine tibetanische Siedlung. Wir rasten in einer Dorfkneipe, die auch als Supermarkt und öffentlicher Treffpunkt fungiert.

„Geht das so steil weiter?“

„Nein….“

„Gottseidank.“

„Es wird noch viel steiler. Das hier ist noch gar nix.“

Chinesen besitzen ein eigenartiges Motivationstalent.

„Wie weit ist bis zum Pass?“

„Etwa 25km.“

„Das sollte doch heute noch zu schaffen zu sein. Wie hoch ist denn überhaupt der Pass?“

„4100 Meter.“

„WAAAS??? Wie bitte?“

In Zhuokeji sind wir heute Vormittag bei 2600 Metern gestartet. Ein älterer Herr mischt sich in das Gespräch ein.

„Nein, 3400 Meter. Macht euch mal keine Sorgen. Der Berg ist 4100 Meter hoch“

Ein anderer Herr winkt energisch ab. „Quatsch, die Passhöhe liegt auf 3900 Metern“

„3500 Meter“, lautet eine andere Schätzung vom Tisch gegenüber.

Sie wissen es nicht, das müssen wir so akzeptieren und den Kampf annehmen. Kurz hinter der Siedlung windet sich die Passstraße in aberwitzigen Kehren den Berg herauf als wolle sie den Mount Everest bezwingen. Nicht überraschend reift bei uns wenig später die Erkenntnis, dass wir es heute nicht mehr zur Passhöhe schaffen werden. Wir halten an einem verlassen wirkenden Gebäude und bauen in Respektabstand unser Zelt auf. Eine tibetanische Frau tritt aus dem Eingang des baufälligen Hauses und kommt auf uns zu. Was soll das heißen? Müssen wir wieder unser Zelt abbauen und uns nach Alternativen umsehen? Oder will sie uns in ihr bescheidenes Heim einladen? Nix dergleichen. Sie eilt mit kurzen Kopfnicken an uns vorbei, führt eine Kuh von der Weide und würdigt uns ansonsten keines Blickes. Das ist nichts Ungewöhnliches und nicht mal unfreundlich gemeint. „Ihr macht Euer Ding und wir machen unseres“, könnte das Motto dieser Tibetanerin lauten. Schließlich sind wir westliche Touristen, die ja so viele interessante Dinge erfinden und immer alles professionell planen. Selbst das irrsinnige Vorhaben, einen steilen Berg mit dem Fahrrad zu befahren (obwohl es Überlandbusse gibt), dürfte einer gewissen, für Tibetaner unverständlichen, westlichen Logik folgen. Die Wahrheit ist jedoch: wir haben gar keinen Plan! Sogar nicht mal was zu Essen, weil es seit dem kleinen Dorf keinerlei Verpflegungsmöglichkeiten mehr gegeben hat. Für heute Abend steht Pasta Napoli ohne Tomatensauce auf dem Speiseplan.

Kulinarische Höhenflüge in China: Reiswaffeln, Bohnen mit Chili, Tee mit See-Salz-Käse und Kaffee ohne Kaffeepulver (v.l.n.r.)

Immerhin wissen wir seit unserem Meeting mit den Dorfältesten, dass wir hier auf der „Roten Straße“ unterwegs sind. Richtig: Mao Zedong ist hier auf der Flucht vor den Kuomintang 1935 auf seinem Langen Marsch vorbeigekommen. Dabei hatte er es wesentlich leichter als wir, da er von der Paßhöhe herabstieg. Dennoch sehen wir gönnerhaft einen Bruder im Geiste in ihm, der uns die nötige Kraft geben wird, auch noch ie letzten „wievielauchimmer“ – Höhenmeter zum Pass zurückzulegen.

Entkräftet, mit leeren Mägen - und aufgrund des tollen Wetters trotzdem gut gelaunt - machen wir uns am nächsten Morgen auf den Weg. Bereits nach einigen macht sich der Schwächezustand bemerkbar. Pause reiht sich an Pause. Erst als nach nicht enden wollenden 8km die Passhöhe langsam näher rückt, beschleunige ich den Tritt in die Pedale. Oben angekommen, beschert mir eine Gruppe von jungen Touristen aus Peking einen VIP Empfang. „Hen lihai, bu xiangxin!“, „Superspitze, wahnsinnig, unglaublich“, kreischt es mir begeistert entgegen. Gewisse Parallelen zu begeisterungsfähigen Amerikanern lassen sich nicht leugnen. Aber was solls. Ich lasse mich gerne mal etwas feiern, im Bewusstsein, den bislang steilsten Pass dieser Reise bezwungen zu haben. Und tatsächlich trügt meine subjektive Einschätzung nicht: „Mt. Mengbi: 4114m, steht auf einem Schild   geschrieben.

Erinnerungsfoto auf 4114 Metern: die Passhöhe des Mt. Mengbi (l.); landschaftlich schöne Strecke hinter dem Pass (r.)

Die Abfahrt führt durch eine märchenhafte Landschaft, die für alle Strapazen entschädigt. Unser Akku ist komplett leer, wir treten nur noch in die Pedale, wenn wir unbedingt müssen. Selbst die leichteste Steigung bereitet uns Kopfzerbrechen. Immer wieder passieren wir putzige kleine Dörfer, die ausschließlich von Tibetanern bewohnt werden. Unübersehbar ist eine Überalterung dieser Dörfer. Die jüngeren Menschen sind zum Studieren oder Arbeiten in die großen Städte abgehauen – droht diesen hübschen kleinen Nestern der baldige Exodus?

durch so schnuckeliuge kleine Dörfer kamen wir auf dem Weg nach Lianghe. Sichuan ist einfach klasse

Wir beschließen, den Fahrtag am frühen Nachmittag im nahen Lianghe zu beenden. Noch befinden wir uns auf der Roten Route, die nach und nach zur Touristenroute für historisch interessierte Chinesen ausgebaut werden soll. Die Stadt wurde nach dem verheerenden Erdbeben im Jahr 2008 wieder so aufgebaut, wie sie mal vor langer Zeit ausgesehen haben soll. Fast sämtliche Gebäude gehorchen der traditionellen Bauweise mit Zugeständnissen an die Moderne wie Wasserkloset und Zentralheizung. Ein Polizist legt die Stirn in Falten und erklärt: „In den 90er Jahren hatte man das alles abgerissen und durch Betonkästen ersetzt. Dann kam das Erdbeben. Zum Glück."

"Und dann?"

„Wir konnten alles wieder neu aufbauen. Nun sieht wieder alles so aus wie zu Zeiten Maos. Die Touristen können kommen.“

Wir nutzen das restliche Tageslicht und besichtigen die jüngst fertiggestellte Mao Statue, bevor wir unsere ausgehungerten Mägen stillen.

Lianghe, ein Ort, der seine historische Bedeutung durch den Lange Marsch Maos erlangt hat. Touristische Vemarktung soll das Dorf aus dem Dornröschenschlaf wecken

Die Hungerkur liegt uns selbst am folgenden Tag in den Knochen. Obwohl es kontinuierlich nach unten geht, kommen wir nur langsam voran und erreichen erst am späten Nachmittag die von Xiaojin nach Chengdu führende Hauptstraße. Der Verkehr nimmt nun deutlich zu, immer wieder überholen uns Reisebusse.

Hinter einer kleinen Anhöhe stehen wir der Miniaturausgabe Hongkongs gegenüber. Xiaojin hat man an einen steilen Berghang gebaut, es gibt kaum einen Quadratmeter ebenerdigen Boden. Infolge des Platzmangels erscheint die vielgeschossige Architektur wie eine falsch verstandene Verpflichtung zur Gigantomanie. Uns stört das nicht, denn wir finden auf Anhieb eine Bleibe, die trotz der Goldenen Woche nicht mal überteuert ist. Wie mittlerweile fast üblich, verzichten wir auf die Suite mit Bergblick und wählen das Standardzimmer, dessen Panoramafenster direkt auf eine Betonwand des benachbarten Gebäudes weist. Wir können die gegenüberliegende Fassade mühelos mit bloßer Hand berühren.

Mittlerweile zweifeln wir ein wenig an der Effizienz der chinesischen Bauordnung. Es ist nach Urumchi und Jiuzhaigou bereits unsere dritte Herberge, wo wir buchstäblich ein Brett vor dem Kopf haben. Immerhin wurde es (die Betonwand) offensichtlich vor kurzem neu gestrichen.

Hotelzimmer mit Panoramablick in Jiuzhaigou, Xiaojin und Urumchi

Es geht auf und ab. Nachdem wir zwischen dem Meng-Pass und Xiaojin von 4100 auf 2300 Meter nach unten gefahren sind, wartet mit dem 4523 Meter hohen Balangpass nun prompt die nächste, und gleichzeitig letzte Herausforderung auf uns. Minxin nimmt es sportlich. „Das ist unsere Abschlussprüfung“, witzelt sie und spricht ein eher wehmütig stimmendes Thema an. Vom Balangshan-Pass führt unser Weg 4000 Meter nach unten bis Chengdu, wo unsere 10 monatige Radreise gleichzeitig ihr Ende finden wird.

Es ist abermals ein prächtiger Tag. Die Rentner jenseits der Straße winken uns lächelnd zu, aus den Großstadt SUVs fliegen uns Bananen und Kekse entgegen und weit oben am Himmel lacht die Sonne. Die 50 km bzw. 900 Höhenmeter ins Dorf Rilong sind fast schon leichtfüßig absolviert und machen Hoffnung auf die zweite und härtere Etappe.

Xiaojin (o.l.), nette Touristen aus Peking (o.r.), Blick Richtung Rilong (u.l.)

Im Rücken des Dorfes ragt das über 6000 Meter hohe Vier Schwester Gebirge auf, das uns einen Ruhetag wert ist. Am nächsten Tag „mieten“ wir uns ein paar Pferde und reiten einen steilen, steinigen Trampelpfad zu einem Aussichtspunkt hinauf. Leider scheint mein Gaul mit der Nachmittagsgestaltung nicht so einverstanden wie ich und droht mich mehrfach über Bord zu werfen. Die letzten paar Hundert Meter lege ich per pedes zurück. Oben angekommen, blicken wir auf eine beeindruckende Hochgebirgskulisse, die teilweise durch Wolken verdeckt ist. Später am Nachmittag klart das Wetter auf und ermöglicht spektakuläre Fotoaufnahmen.

„Ich habe immer etwas Angst, wenn ich hier stehe“, sagt der Guide zu unserer Verwunderung und liefert die Erklärung gleich mit. Wir befinden uns nahe des Epizentrums des großen Erdbebens, das 2008 die gesamte Gegend westlich von Chengdu verwüstete. „Ich stand genau hier und sah, wie sich der Hang gegenüber auf einmal aufwölbte. Wie ein Teppich, den man durchschüttelt. Ich konnte meinen Augen nicht trauen.“ Wie lange es gedauert habe und was er danach gemacht habe, wollen wir wissen. Diese Fragen sind schließlich naheliegend. „Es dauerte gut und gerne 3 Minuten, aber ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Ich habe die völlig verstörten Touristen eingesammelt, die Pferde dagegen waren weg.“ Eine Woche hat es gedauert, bis die ersten Fahrzeuge eintrafen, bis dahin waren die Bewohner Rilongs auf sich alleine gestellt. „Es gab auch kein Handyempfang mehr. Ein Gruppe von koreanischen Touristen ist zu einer Bergtour aufgebrochen und wurde seitdem nie mehr gesehen.“

Si Guniang Shan - die "Vier Schwester Berge"; Blick auf den höchsten der vier Berge (6200m; m.r.)

Wir befinden uns wieder auf dem Weg zurück ins Hostel, als ich in einem Souvenirladen einen Hut aufsetze. Er steht mir nicht sonderlich gut, daher lege ich ihn gleich wieder zurück. Leider nicht sorgfältig genug, denn der Hut fällt zu Boden. „Heb ihn sofort wieder auf“, schimpft der Ladenbesitzer und zischt mir ein leises „Arschloch“ hinterher. Jedoch nicht leise genug, um überhört zu werden. Irgendwie kann ich mich nicht beruhigen. Ich eile in den Laden zurück. „Was hab ich da eben gehört?“, poltre ich. „Wie hast du mich genannt? Meinst du, ich verstehe deine Sprache nicht. Arschloch, ich habe es genau gehört: Arschloch!“

Zeit für den Auftritt der weiblichen Hauptrolle. Die Frau des Ladenbesitzers schießt wie eine Furie aus einer Türöffnung und vervollständigt das Chaos.

„Was hast du eben zu meinem Mann gesagt? Arschloch! Bist du noch ganz dicht?“

„Ich habe das nicht gesagt, er hat es zu mir gesagt.“

„Lüg mich nicht an, ich habe es gehört.“

Der Ladenbesitzer nimmt einen massiven Holzhocker und möchte ihn nach mir schmeißen. Ein glorioser Auftakt zu einem Massenevent.

 

Die nächsten Minuten beinhalten heftige Wortgefechte, Vorbereitungen zu ersten Schlägereien und sonstige leichte Differenzen hinsichtlich der sozialen Übereinkunft. Wie in China bei solch gar nicht so seltenen Massenhappenings üblich, hat sich sogleich eine Menschentraube um uns versammelt. Wenig später ist auch die Polizei zur Stelle. Nach einer kurzen Abtastphase passen sich auch die Uniformierten dem allgemeinen Geräuschpegel an, sodass eine Klärung des Konflikts in weite Ferne gerückt ist. Das Schöne an der Sache ist: es geht gar nicht mehr um mich. Mittlerweile bin ich völlig aus der Schusslinie geraten, da Ladenbesitzer, Polizei und Umstehende zwischenzeitlich neue Nebenkriegsschauplätze eröffnet haben und diese nun an Ort und Stelle lautstark klären möchten.

 

Und genau aus dieser Stimmung heraus mache ich einen folgenschweren Fehler. Ausgerechnet ich, ein Laowai, ein gern gesehener Gast aus dem Ausland. Bisher war fast der gesamte Zuschauerpulk auf meiner Seite. Doch mit einem einzigen unbedachten Wort löse ich einen Volksaufstand aus. Augenblicklich bricht lautes Geschrei unter den meisten Anwesenden aus. „Habt ihr das gehört? Habt ihr gehört, was der Ausländer eben gesagt hat?“ Innerhalb von Sekunden habe ich mich mitten ins Kreuzfeuer zurückkatapultiert und sehe mich einem wahren Lynchmob gegenüber gestellt

Das Wort? „Nongming“ - der chinesische Begriff für Landbevölkerung. Es ist im Grunde nichts Beleidigendes. Ich respektiere die chinesische Landbevölkerung. Es sind diejenigen, die dieses übervölkerte Land ernähren. Oftmals handelt es sich um intelligente Menschen, die im Gegensatz zu uns keinen Zugang zu hochqualifizierter Ausbildung und gutbezahlten Jobs hatten.

Das Wort war nicht abwertend gemeint, es sollte niemanden beleidigen. Es war lediglich an die Ladenbesitzerin adressiert, weil die Frau mich nervt. Eine dieser typischen Situationen, indem man etwas Unüberlegtes sagt, was man auf der Stelle gerne zurücknehmen würde. Die Ladeninhaber ergießen einen Wortschwall an Beleidigungen über mich, die Polizisten brüllen auf mich ein. Minxin übernimmt notgedrungen die Rolle des Pflichtverteidiger.

„Bist du die Reiseleiterin des Ausländers? Hast du ihm nicht mal unsere Regeln erklärt?“

„Es ist mein Mann, nicht mein Kunde.“, antwortet Minxin ruhig und potenziert die Bestürzung der Umstehenden.

„Sooo?“, antwortet der Polizist scharf, „Das sind mal ganz neue Dinge. Zeigt uns mal Eure Reisepässe.“

„Die sind im Hostel“

 „Wenn du uns nicht sofort die Pässe zeigst, setzt es eine Geldstrafe wegen Beamtenbeleidigung.“

„Moment. Ich habe nicht Euch Nongming genannt, nur die Ladenbesitzerin“.

Der letzte Satz stammt von mir und repräsentiert meinen Comeback-Versuch, um wieder in die Diskussion einzusteigen.  

 

Die Ladenbesitzer und die Polizisten befinden sich alle in den Fünfzigern. Sie zählen zur verlorenen Generation Chinas, die während der Kulturrevolution aufgewachsen ist, ohne Chance auf Bildung und Wohlstand. Diese Menschen besitzen nicht den Sanftmut der älteren, langsam aussterbenden Generation, die noch die Zeit vor den Massenkampagnen erlebt hat. Umgekehrt fehlt ihnen das Selbstbewusstsein der in den 70er und 80er Jahren Geborenen, die in politisch ruhigeren Zeiten großgeworden sind und schneller reich wurde. Auf das Wort „Landbevölkerung“ reagiert man hier sehr sensibel.

Eine Klärung ergibt sich erst, als eine junge, englischsprechende Politesse erscheint und zwischen den beiden Fronten vermittelt. Es ist eine junge, kleine Dame mit leiser, piepsender Stimme, doch mit ihren Englischkenntnissen verschafft sie sich sofort Respekt. Ungläubig lauschen die Umstehenden, wie die zierliche Politesse mit mir routiniert in dieser fremden, völlig unverständlichen Sprache redet.

Ich entschuldige mich, auch die Polizisten bedauern nun ihre hysterische Reaktion, der Ladenbesitzer gibt mir die Hand und Zigaretten und in Sekundenschnelle haben sich wieder alle lieb. Auch das ist China. Ich habe solche Auseinandersetzungen schon oft auf offener Straße erlebt, allerdings stets als Zuschauer. Umso interessanter, mal die Rolle der Hauptperson ausgefüllt zu haben. Zufrieden machen wir uns auf dem Heimweg. Also doch noch eine erwähnenswerte und spannende Story für unseren Blog. Hoffentlich bringe ich sie nur richtig zu Papier.

unser Maskottchen begleitete uns leider nur wenige Tage durch China (2. Reihe links); der zweithöchste Paß unserer Reise (u.m.); Alptraum in Grau (der Rest)

Noch sind es 25km und 1400 Höhenmeter zum Balangshan Pass. Von ganz oben soll man einen wunderbaren Blick über die Bergwelt Sichuans haben. Die Wettervorhersage ist eine Kopie der gestrigen: morgens eher grau mit ein paar Schauern, am Nachmittag trocken mit sonnigen Abschnitten. Nachdem wir gestern über Soll lagen, ist uns das Glück heute nicht hold. Nebelschwaden kriechen von Talboden hangaufwärts hinauf in einen Zauberwald voller Lianen und Farne.

Heute kann uns niemand stoppen. Der Balangshan-Pass wird der zweithöchste (nach dem 4655m hohen Ak Balyk Pass im Pamir) und gleichzeitig letzte unserer gesamten Reise werden. Neun Monate Training zahlen sich jetzt aus. Egoshooter-gleich bahnen wir uns den Weg unermüdlich nach oben, begleitet vom Ausflugsverkehr der urlaubswütigen Chinesen. Entsprechend stolz rasten wir zur Mittagspause bereits an der 4000 Meter Markierung neben der Landstraße. Neben uns treibt eine Yakherde panisch bergabwärts. Ein schlechtes Omen oder Zufall? Wir haben keine Zeit darüber nachzudenken. Kurz vor der Höhe wird der Nebel immer dichter, die Sicht sinkt auf unter 20 Meter. „Das wird auf der anderen Seite gleich besser“, beruhigt mich Minxin. „Für heute Nachmittag ist gutes Wetter angesagt.“

 

Eine Prophezeiung, die sich nicht erfüllen wird. Bald erkennen wir nichts mehr außer den Rücklichtern der vorbeifahrenden SUVs. Zu dem Nebel und den bitterkalten Temperaturen gesellen sich noch ständiger Nieselregen und heftige Windböen. Alle paar Hundert Meter muss ich anhalten, da meine Brille beschlagen ist. Zudem zittre ich am ganzen Körper und kann kaum noch den Lenker gerade halten. Erst jetzt bemerke ich die wahre Funktion von Verkehrsschildern. Immer wieder kündigen sie Links-, Rechts- oder S-Kurven an, die ich in dieser dicken Nebelsuppe nicht mal erahnen kann.

Langsam bekomme ich Platzangst und immer, wenn ich die Augen schließe, sehe ich helle Blitze. Oder zieht ein Gewitter auf? Nein, tatsächlich - immer wenn ich blinzle: helles Licht! Was ist das? Normal ist das nicht. Ich beschließe, die aufkommende Panik zu unterdrücken und abzuwarten. Wenn ich dieses Blitzen noch heute Abend im Hotelzimmer sehe, kann ich mir immer noch Sorgen machen. Jetzt interessiert erstmal nur das Naheliegende. Trotz Handschuhen fallen mir fast die Finger vor Kälte ab und ich kann mich kaum noch auf dem Fahrrad halten. Ein Thriller zum Schluss unserer Reise? Nicht wirklich, das macht absolut kein Spaß mehr. Wir sind mit unseren Nerven komplett am Ende.

Doch es muss weitergehen, irgendwo muss dieser Alptraum doch ein Ende haben, irgendwo! Etwas später nimmt uns irgendein Tunnel auf. Eine fast surreale Szene, ich kann mit meinen beschlagenen Brillengläsern kaum etwas erkennen und pilotiere mein Fahrrad unkontrolliert in Schlangenlinien durch den Tunnel. Durchhalten, denke ich mir. Hauptsache nicht in den Gegenverkehr geraten und zu Gott beten, dass ich kein Schlagloch treffe. Jenseits des Tunnels wache ich allmählich aus dem Fiebertraum auf und kann das erste Mal seit Stunden die Konturen beiderseits der Straße erkennen. Aus dem grauen Einerlei wachsen urplötzlich vertraute Dinge wie Gebäude und Bäume empor. Noch ahnen 1000 Meter zwischen uns dem ersten Dorf im Tal, entsprechend steil geht es nach unten. Das Blitzen beim Blinzeln lässt nach und verschwindet schließlich ganz, doch wirklich genießen können wir die rasante Bergabstrecke nicht.

Wir entdecken ein paar Gebäude weiter unten entlang der Straße. Egal, was das ist, wir müssen uns dringend aufwärmen und wieder zur Ruhe kommen. Unten angekommen, erhalten unsere Hoffnungen sogleich einen Dämpfer. Wie ein Hotel sieht diese Unterkunft nicht aus. Vielmehr handelt es sich um die Nationalparkverwaltung samt angeschlossener Unterkünfte für die Parkranger. Die Frau am Eingang erkennt unsere Notsituation und bittet uns herein. Ich habe Mühe, meine Kleidung auszuziehen und verständliche Sätze zu formulieren. Der Tee ist schnell gekocht und wenig später bringt man uns Tücher und schaltet den Heizpilz an. Man bietet uns gegen ein paar Renminbi eine nächtliche Bleibe inklusive Abendessen an. Wir atmen erleichtert auf. Es sind immer prägende Momente auf unserer Reise, wenn man von anderen Leuten abhängig ist und diese uns aus der Patsche helfen. Sehr langsam legt sich der Schüttelfrost, auch das Sprachzentrum erlaubt wieder einfache Gespräche, außerdem melden sich nun wieder die „Basics“ zurück. Wir haben Hunger. Wir brauchen eine warme Dusche. Wir müssen unsere Kleidung trocknen. Nachdem dies erledigt ist, erhalten wir, halbwegs wiederhergestellt, noch eine Führung durch das Zentrum der Nationalparkverwaltung.  Eigentlich ist es nur für Angestellte der Nationalparkverwaltung zugänglich, doch heute macht man für uns mal eine Ausnahme. So können wir sogar Aufnahmen des Balangshan-Passes bei gutem Wetter ungläubig bestaunen.

Wolong, ein Rückzugsgebiet für Pandabären

Wir befinden uns im Wolong-Nationalpark, einem der letzten Rückzugsgebiete des Pandabären. Fortan werden Pandabären die ständigen Begleiter auf unserer letzten Reiseetappe werden. Mal grinsen sie uns auf Verkehrsschildern entgegen, später sichten wir sie in Souvenirläden, auf Plakatwänden, an Häuserfassaden. Nur nicht in freier Wildbahn. Zwar befindet sich die Auswilderungsstation Wolong entlang unserer Route, doch ist diese nicht für Touristen geöffnet.

Wie so oft während unserer Reise folgt auf eine Wetterapokalypse strahlender Sonnenschein. Der nächste Tag ist strahlend schön und es geht angenehm bergab. Dabei lauern in nicht allzuweiter Entfernung die nächsten Gefahren. Ab der Auswilderungsstation verschlechtert sich der Straßenzustand rapide. Wir nähern uns dem Epizentrum des Erdbebens von 2008. Bislang hat man die Straße nach Chengdu nicht wieder herrichten können, was immerhin ein vergleichsweise geringes Verkehrsaufkommen zur Folge hat und auch unseren Entschluss erklärt, während der Goldenen Woche, diese Route zu wählen. Doch unterschätzen wir nicht schon wieder – ähnlich wie gestern am Balangshan – eine gefährliche Situation? Schließlich müssen wir laut Augenzeugenberichten vier unbeleuchtete Tunnel durchqueren. Immerhin, die ersten beiden erweisen sich als machbar und sind sogar asphaltiert. Bei Nummer drei fehlt die Asphaltdecke, hinzu kommen Schlaglöcher, Pfützen und heruntertropfendes Wasser. Wir ziehen alle Register und bewaffnen uns mit Warnwesten und Stirnlampen. Besonderen Dank gilt auch den Autofahrern, die – eher untypisch – im Schritttempo mit Respektabstand ihr Fahrzeug an uns vorbeilenken.

die letzte echte Herausforderung erwies sich als lösbare Aufgabe: Tunnel und Schotterpiste hinter Wolong

Noch einmal präsentiert sich Sichuan von seiner dramatischen Seite. Die Straße, ein besserer Trampelpfad, folgt einer engen Schlucht, oftmals blockieren Felsbrocken die Durchfahrt. An einer Stelle haben sich über mehrere Hundert Meter Autos gestaut. Stundenlange Wartezeiten wegen Erdrutsche oder Fahrbahnsperrungen sind in diesem Teil Chinas keine Seltenheit, allerdings können wir unsere Fahrräder problemlos an der Blechschlange vorbeischieben. Wir verlieren ständig an Höhe und mein GPS Gerät produziert Zahlen, die wir bereits seit Monaten nicht mehr gesehen haben. 1200 Meter, 1100 Meter, 1000 Meter. Dann stehen wir schließlich an einem großen Parkplatz. Neben uns ein neuerrichteter Vergnügungspark, daneben Reisfelder. Unsere Straße gabelt sich hier, links führt die Autobahn direkt durch einen Tunnel nach Chengdu, rechts führt eine alte Landstraße über die Provinzstadt Dujiangyan zum selben Ziel. Wir wissen, was das heißt. Wir haben die Bergwelt Sichuans endgültig hinter uns gelassen und radeln nun dem fruchtbaren und dichtbesiedelten Roten Becken entgegen, in dessen Zentrum die Millionenstadt Chengdu liegt. Etwas traurig registrieren wir, dass uns nur noch 90km bzw. anderthalb Tagesetappen vom Ende unserer Reise trennen. Die ersten 25km in die Provinzstadt Dujiangyan haben es nochmal in sich. Zwar befindet sich der Zielort nur in etwa 10km Luftlinie Entfernung, die alte Landstraße gönnt sich aber einen Umweg entlang eines mäandrierenden Flusses. Ein wildromantisches, ländliches Stück China. Die Siedlungen, die wir passieren, wirken wie aus dem Walt-Disney Modellbaukasten entstanden. Wahrscheinlich sind sie in den letzten Jahren nach dem Erdbeben im traditionellen Stil neu aufgebaut worden. Dazu gesellt sich ein weiteres Phänomen, mit dem man oft China verbindet, was für uns nach 2500 Fahrradkilometern dennoch ein Novum darstellt: Luftverschmutzung. Die Bergketten am gegenüberliegenden Ufer versinken im Dunst und ich frage mich, wie es um die Luftqualität in den großen Städten bestellt sein muss, wenn es hier auf dem Land bereits Probleme gibt.

Wir radeln an einem Zementwerk ohne Filter vorbei, nehmen eine kleine Abkürzung durch einen noch nicht fertig gestellten (und entsprechend leeren Tunnel) und legen die letzten 10km unserer Reise im Dunkeln zurück. Der Verkehr hat stark zugenommen, die Gegend ist mittlerweile stark besiedelt. Glücklicherweise geht es steil bergab und in Dujiangyan ist schnell eine preiswerte Unterkunft gefunden. Berühmt ist die Stadt auch heute noch für ihr 2000 Jahre altes Bewässerungssystem. Wir laufen in die hellerleuchtete Stadt und lernen unterwegs Spencer kennen, einen Simbabwer, der seit einer Woche in Dujiangyan als Englischlehrer arbeitet und gleichzeitig damit beschäftigt ist, seine bislang nur rudimentären Chinesischkenntnisse zu verbessern. Das erste Mal seit Teheran stehen wir einem Afrikaner gegenüber. Wir sind zurück in der Zivilisation.

Nach wochenlanger Reisdiät, soll es heute mal eine Portion Pommes zum Abendessen geben, gerne auch im Fastfoodrestaurant. „Wo wollt ihr hin?“, sagt ein Taxifahrer. „Hier in der Nähe gibt es ein chinesisches Schnellraustaurant. Der McDonalds ist etwas weiter weg.“. Wir stutzen einen Augenblick, schließlich hatten wir die Verabredung getroffen, dass an der ersten McDonalds oder BurgerKing Filiale unsere Reise enden soll. „Wie weit ist das denn dorthin?“, fragen wir vorsichtig. „Oh, sehr weit, außerhalb der Stadt. Zu Fuß geht das sicherlich nicht. Ich bringe euch in 15 Minuten dorthin.“ Wir atmen auf und freuen uns auf einen weiteren Tag Fahrradfahren.

Dujiangyan - eine Stadt mit Geschichte (l.); Spencer aus Simbabwe mit seinen neuen chinesischen Freunden (m.)

Dieser verheißt erwartungsgemäß keine landschaftlichen Highlights. Die Strecke nach Chengdu ist eine endlose Abfolge von Reisfeldern und Abwasserkanälen, die mit fortschreitender Distanz immer mehr von Fabriken, Möbelmärkten, Hochhaussiedlungen und Kraftwerken überlagert werden. Nach 50km monotonem Radeln nimmt uns die Ringstraße auf. Wir biegen rechts ab, um Minxins Freunde im Süden Chengdus zu besuchen. Am südlichen Rand Chengdus ragen riesige Wolkenkratzerkomplexe in den Himmel. Ein riesiges Gebäude von gigantomanischen Ausmaßen lässt uns den Atem stocken. „Dort drinnen kann man Skifahren und Schwimmen“, erklärt uns ein alter Taxifahrer. Später lernen wir, dass es sich bei dem Global Center um das Gebäude mit der weltweit größten Grundfläche handelt. Die 500.000 qm beherbergen Shoppingmeilen, Kinos, Supermärtke, Restaurants, mehrere Hotels, Bowlingbahnen und ein Erlebnisbad. Lediglich bei der Skipiste handelt es sich angeblich um eine Eislaufhalle. Las Vegas im Reisfeld.

Ankunft in Chengdu (o.m); das letzte Abendmahl (o.r.); ehrgeizige Bauprojekte (u.l.); Global Center - das Gebäude mit der weltweit größten Grundfläche (u.m.)

Auf den letzten km geht dann alles ganz schnell. Wir fragen das letzte Mal nach dem Weg, überqueren die letzte Brücke unserer Reise, halten das letzte Mal an einer Ampel, bis wir schließlich um 19 Uhr vor einem großen Tor stehenbleiben.

Es ist geschafft. Wir sind da und den Touristenmassen der Goldenen Woche nochmal entkommen.

Es waren märchenhafte 10 Monate, seit dem wir auf dem Weg waren. Eine ganz besondere Erfahrung, mit nichts vergleichbar in unserem restlichen Leben. Wir haben uns einen Lebenstraum erfüllt.

Doch noch ist unsere Reise nicht ganz zu Ende. Dazu bald mehr hier auf unserem Blog.  

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Kommentare: 3
  • #1

    peter (Donnerstag, 19 November 2015 08:27)

    danke

  • #2

    die Betreiber des Blogs (Montag, 23 November 2015 22:09)

    Bittesehr, gerne geschehen.

  • #3

    Karl Böcker (Sonntag, 13 Dezember 2015 15:12)

    Hallo,
    habe mit Vergnügen Euren bisherigen Bericht gelesen. Bin gespannt auf den letzten Teil, auf den ich noch warte.
    Karl